Man kann über einen Roman als ein Buch von dreihundert Seiten Länge denken. Handelt es sich um das allererste Buch, das ich schreiben will, sind dreihundert Seiten sehr viel. Sie wirken mitunter geradezu einschüchternd. Es könnte schnell der Wunsch aufkommen, das Ganze ein wenig besser zu portionieren.
Alternativ kann ich mir auch sagen, dass sein Buch zehn Kapitel mit je dreißig Seiten beinhalten soll. Was die Sache schon deutlich übersichtlicher erscheinen lässt.
Eine Struktur aus Kapiteln zu bauen endete in der Vergangenheit jedoch oft für mich in einem psychologischen Problem. Auch wenn es keinen guten Grund dafür gibt, tendieren Kapitel dazu an einem festen Platz stehen bleiben zu wollen. Sie sträuben sich gerne, wenn sie im Roman herumgeschoben werden sollen. Ich stand am Ende oft vor einer Struktur, die sich nur schwer wieder aufbrechen lassen wollte. Was also ist zu tun?
Ich bediene mich eines ebenso einfachen, wie effektiven Tricks, und versuche erst gar nicht einen Roman zu schreiben, sondern einen großen Stapel kurzer Episoden, welche Szene genannt werden.
Es ist für mich viel einfacher einen Roman als eine Sammlung von Szenen zu betrachten. Sie haben viele Vorteile. Eine Szene ist immer kurz. Als Faustregel für mich gilt, dass sie um die zwei- bis dreieinhalbtausend Wörter enthalten. Das entspricht etwa zehn bis fünfzehn Buchseiten. Innerhalb eines Kapitels erkennt man einzelne Szenen oft an den Leerzeilen, die sie voneinander trennen. Von ihrer Länge her sind sie also äußerst handlich. Deswegen wird dieser Umfang im Amerikanischen auch als Kartoffelchip-Länge bezeichnet. Es ist die Länge, die der Leser abends vor dem Einschlafen mal eben noch lesen kann, denn Szenen sind in sich geschlossen.
Der größte Vorteil einer Szene besteht darin, dass sie äußerst mobil ist. Sie lässt sich mit wenig Aufwand hin und her schieben und in eine neue Umgebung einpassen. Einen Roman zu schreiben ist am Anfang sehr einschüchternd. Eine einzelne Szene zu schreiben, die dann irgendwo im Roman stehen kann, oder auch nicht, ist eine überschaubare Aufgabe.
Es führte bei mir dazu, dass ich entspannter und flexibler über man Werk nachdenken konnte. Die anfängliche Panik völliger Überforderung löste sich langsam auf. Ich sagte mir zum Beispiel: Heute schreibe ich mal nur den Teil, in dem der Protagonist seinem Freund im Café trifft und dieser ihm einen entscheidenden Hinweis gibt.
An welcher Stelle genau diese Szene am Ende im Roman ihren Platz finden wird, ist dabei erst einmal vollkommen nebensächlich, dass kann sich bis zuletzt ändern. Es besteht sogar die Möglichkeit, dass besagte Szene am Ende gestrichen wird. Macht aber nichts, denn ein paar Szenen mehr zu schreiben, ist bis dahin kein großer Aufwand mehr.
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