Vier Schritte

Ich sehe meinen Geschichten immer an, ob ich in der richtigen Reihenfolge gearbeitet habe. Es sind nur vier Schritte, aber wenn ich versuche sie rückwärts oder seitwärts zu gehen, verstolpere ich mich im eigenen Plot. Die Schritte an sich sind nicht schwer:

Was ist meine Kernaussage?

Das ist ein einzelner Satz, der in Blockbuchstaben mit Edding an der Wand geschrieben steht. Jeder Satz, der danach in die Tastatur geht, treibt diese Aussage voran. Nehmen wir als Beispiel, wie man es richtig macht, ein Meisterwerk von Shakespeare, nämlich Romeo und Julia :

Liebe ist eine gefährliche, aggressive Kraft, welche ihre Opfer vollständig entmachtet.

Aus der Kernaussage folgt das Thema:

Wenn die Aussage steht, ergibt sich das Thema meist von ganz allein. In diesem Fall:

Wie spiegelt sich die aggressive Kraft der Liebe in einer Beziehung, welche die Beteiligten in den Untergang treiben wird?

Aus dem Thema ergibt sich das Setting:

Man kann nur schwer demonstrieren, wie entmachtend und zerstörerisch die Liebe wütet, wenn die Protagonisten ein Ziegenhirte und eine Küchenmagd sind. Das interessiert niemanden. Die Aussage wiegt schwer und kommt mit enormer Wucht, also sollten die Einsätze dem auch angemessen sein. Die Protagonisten sind also nicht irgendwelche Teenager, sondern die Nachkommen der mächtigsten Familien der Stadt. Und um noch einen drauf zu setzten, sind die Familien verfeindet. Es stärkt hier die Aussage, wenn der Autor den Regler für emotionale Spannung bis zum Anschlag dreht.

Jetzt ergibt sich die Handlung von allein:

Zwei junge Menschen verfallen einander hoffnungslos. Im Strudel der entfesselten Liebe werden Freundschaften zerstört, Familienbande gesprengt und Leben ruiniert. Am Ende sind alle tot.

Das bedeutet jedoch nicht, dass diese vier Schritte in der Planungsphase bei mir nicht wild durcheinander gehen werden und dürfen. Es steht zu erwarten, dass ich zum Start eines neuen Projekts mit diesen Schritten einen wilden Stepptanz aufführe. Beginne ich allerdings tatsächlich zu schreiben, sollte eine Kernaussage vor mir an der Wand stehen. Sie funktioniert wie ein Kompass, der mir die Richtung weist.

 

Hinterlasse einen Kommentar