Die Stille zwischen den Sternen – Hintergrund

Im Folgenden gebe ich Einblicke in den Entstehungsprozess meines Romans Stille zwischen den Sternen und beleuchte die Fragen und Überlegungen, welche den Charakteren und Motiven voraus gingen. Spoiler sind dabei nicht zu vermeiden.


Spoilerwarnung


Als Autor hört man immer wieder mal die Frage: Woher nimmst du nur all diese Ideen? Meine Antwort darauf ist in der Regel: So ganz genau weiß ich das auch nicht, ich schreibe hier nur Geschichten auf. Das ist zugegeben keine besonders befriedigende Auskunft, dennoch kommt sie der Wahrheit relativ nahe. Tatsächlich weiß ich meist nicht woher die Ideen kommen. Ich kann jedoch darüber berichten, woher die Fragen zu den Ideen kommen. Das mache ich gerne, denn die Fragen sind sowohl einfacher als auch zahlreicher. Stellt man genug davon, klingt man irgendwann clever und täuscht darüber hinweg, wie wenig Plan man eigentlich von seinen eigenen Büchern hat.

Die erste Inspiration zu meinem neuen Roman Stille zwischen den Sternen kam mir vor einigen Jahren als ich aus purer Neugier in der Welt von EVE Online recherchierte. In diesem gewaltigen Weltraum-MMORPG (Massively multiplayer online role-playing game) sind die Piloten der Raumschiffe in sogenannte Kapseln eingeschlossen, über welche sie sensorisch in ihr Schiff integriert werden und die bei der Zerstörung eines Transportmittels einfach ausgeworfen werden können.
Es stellte sich mir die Frage, wer wohl der erste Mensch gewesen sein könnte, welcher sich selbst auf diese Weise als Raumschiff wahrnahm. Ich vergaß umgehend alle anderen Projekte und begann zu grübeln, welche Geschichte dieser Mensch wohl erzählen würde, nachdem er als erstes Wesen überhaupt ohne seinen physischen Körper das Universum erkunden durfte.
Es hat mich zwei Jahre gekostet es herauszufinden und ich bin selten beim Schreiben so überrascht worden.

In meinem Roman wird die unscheinbare Pilotin Hien Otis im Rahmen des teuersten militärischen Forschungsprojekts aller Zeiten zum ersten lebenden Raumschiff der Menschheit.
Wie man dieser kurzen Beschreibung bereits entnehmen kann, ist das zentrale Thema des Romans der extreme Transhumanismus.

Es gibt in der Science-Fiction diese seltsame Grundidee, dass sich die Menschheit irgendwann, wenn ihr technischer Fortschritt sie nur weit genug führt, von allem Leiden wird freimachen können. Wir werden dann alle Schmerzen überwinden, alle Fragen beantworten und ewig leben. Ob dieser Endzustand erstrebenswert sein wird, sei mal dahingestellt. In jedem Falle wäre der wichtigste Schritt auf diesem Weg die Überwindung unserer physischen Form.
Ich empfand die Annahme, dass die Überwindung des Körpers zu Glück führen wird, schon immer ein wenig fragwürdig. Welche Konsequenz hat dieser Schritt für unsere emotionale und spirituelle Entwicklung? Immerhin wissen wir aus eigener Erfahrung und durch die Lehren der großen Meditationsmeister, dass alle unsere inneren Fortschritte und Entwicklungen untrennbar an einen Körper und dem Leiden im selben gekoppelt sind. Das sollte uns, meiner Meinung nach, beunruhigen.
Mich fesselte die Frage was passiert, wenn ich einem Menschen, der auf einer intensiven inneren Suche ist, seinen Körper nehme und ihn stattdessen in eine mächtige Maschine verwandle. Die Möglichkeit einer Existenz ohne einen zerbrechlichen menschlichen Körper war als Motiv für mich extrem einschüchternd, fast schon übermächtig. Mich lässt die Idee innerlich erschaudern. Der Gedanke hat gleichzeitig etwas Verführerisches und Abstoßendes.
Was, wenn diese Maschine nun die Einzige ihrer Art ist und sie, ob ihrer Fremdartigkeit, so weit von allen anderen Menschen entfernt existiert, dass eine körperliche Interaktion überhaupt nicht mehr möglich ist? Lösen sich alle Probleme dieses neuen Wesens in Nichts auf? Wird seine innere Suche immer noch die eines Menschen sein? Wie soll das möglich sein? Wenn ein Mensch seinen Körper aufgibt, bedeutet das doch nichts anderes als die Erschaffung einer vollkommen neuen Spezies. Wird dieses Wesen dadurch nicht automatisch zum Startpunkt einer neuen, transhumanen Rasse, deren Spiritualität wir möglicherweise überhaupt nicht mehr verstehen können? Welche Bedeutung hat das heute so begehrte, gepriesene und verfluchte Wort der Identität als Mensch in diesem Zusammenhang überhaupt noch?

Wir kennen zahllose Geschichten, in denen sich diese Grundidee in die genau andere Richtung entfaltet. Nicht vom Menschsein in das Künstliche, sondern umgekehrt. Das wäre das uralte Motiv eines mechanischen Wesens, welches versucht wirklich zu werden, was auch immer das heißen möge. Eine korrekte Beschreibung dieser Wirklichkeit ist praktisch unmöglich, da die höchste Form des realen Seins, welche wir kennen, das Menschsein ist und viel Spaß beim Versuch einer Definition. Reden wir hier von der gleichen Entwicklung nur rückwärts? Was für mich die Frage aufwarf: Welcher Weg ist der bessere? Körper verlassen, oder Körper bekommen? Aus dem rein geistigen ins Körperliche, oder aus dem Körperlichen ins rein Geistige. Welcher Weg liefert bessere Antworten und sind die Antworten überhaupt vergleichbar? An diesem Punkt war ich hoffnungslos verwirrt. Der Leser wahrscheinlich auch.

Da ich keine Chance hatte eine Lösung zu finden erschien es sinnvoll diese Dichotomie einfach durch zwei Protagonisten zu repräsentieren, welche sich von den beiden Extremen aus gegenüberstehen. Deswegen, und um es mir extra schwer zu machen, musste ich zwei Damen auf die Reise schicken. Hien Otis, eine Frau, die alles dafür geben würde, kein Mensch mehr sein zu müssen und eine künstliche Intelligenz namens Jane, die alles dafür tun würde ein Mensch zu werden.

Bei der Konzeption meiner beiden Protagonistinnen hatte ich wie immer keine Wahl. Ich kann die Fragen stellen, aber wem die Antworten nicht gefallen, der müsste sich beim Universum beschweren, denn das mein Beitrag bei der Gestaltung der Charaktere schockierend gering ist, das ist mir schon in meinem letzten Buch Die Sprache der Blumen aufgefallen. Dort stehen sich das Leben-gebende-Prinzip und das Leben-nehmende-Prinzip gegenüber. So wie sich diese beiden Extreme in unseren Geschichten schon seit hunderttausenden von Jahren gegenüberstehen und niemals voneinander fortkönnen. Es erschien mir damals völlig unmöglich, dass die Protagonistin (das Leben-gebende-Prinzip) keine Frau sein könnte. Im neuen Buch hatte ich das gleiche Gefühl. Die Möglichkeiten entfalteten sich vor meinem inneren Auge schnell und ohne große Alternativen.

Wenn die Menschheit an der Schwelle zur Erschaffung einer neuen Rasse steht, einem transhumanen Wesen auf Basis fortgeschrittener Technologie, welche Intention würde sie verfolgen? Das Militär würde wie üblich in bester Tradition des Terminators einen Menschen als Vorlage benutzen, um die perfekte Waffe zu schaffen. Einem Menschen gleich, jedoch mit einem unbesiegbaren Körper. Wir reinkarnieren wie immer das Leben-nehmende-Prinzip in einer übermächtigen, stereotypisch männlichen Gestalt. Wie entsetzlich langweilig.

In diesem Moment wurde mir klar, dass ich einen anderen Weg gehen musste. Hier war definitiv eine andere Form der Stärke gefordert. Eine innere Kraft, welche keine Muskeln braucht, sondern von einem Geist getrieben wird, der seine metaphorische Faust durch soliden Fels treiben kann.
Das machte für mich auf Anhieb Sinn. Es ist eine Hommage an das, was ich in meinem Leben bisher als wahre Stärke kennengelernt habe. Als Gegensatz zu der Stärke, mit der ich als Heranwachsender konditioniert wurde und die immer muskelbepackt war und lächerlich große Schwerter schwang.

Was hier mitschwebt ist eine viel fundamentalere Frage und etwas, womit ich mich nebenbei schon in meinem ersten Roman (Die Sprache der Blumen) beschäftigt habe: Was macht eigentlich Heldentum aus? Und wie sieht Stärke aus, wenn sie ohne Maschinengewehr und Flammenwerfer auskommen muss? Bei dieser Frage werde ich auch noch mindestens zwei weitere Romane lang bleiben.
Meine Protagonistin wurde also kein waffenschwingender Muskelberg, sondern eine zierliche, körperlich schwache Frau, deren innere Stärke es ihr erlaubt eine noch nie dagewesene Form anzunehmen. Hien Otis repräsentiert ein Wesen, welches so neu und anders ist, dass schon seine Wünsche und Bedürfnisse fremdartig erscheinen müssen.
Was, wenn dieses Wesen eine Suche nach Sinn beginnt, in einem Universum, welches es vollständig anders wahrnimmt als wir? Was, wenn es nicht kämpft, sondern tanzt? Nicht Waffen schwingt, sondern singt? Nicht Befehle bellt, sondern Gedichte schreibt?
In diesem Moment musste ich grinsen, denn mir wurde klar, dass dem Militär mehr als nur eine böse Überraschung ins Haus stehen würde. Übrigens präsentiert sich Hien Otis dem Leser als eine junge Armee-Pilotin mit asiatischen Wurzeln im Range eines Majors. Jeder Science-Fiction- und Anime-Fan sollte sich dabei sofort an den einzig wahren Major erinnert fühlen. Major Motoko Kusanagi aus Ghost in the Shell.

Mit Hien Otis als Fokus der Erzählung hatte ich bei der Gestaltung von Jane keine große Wahl mehr, denn ich brauchte jetzt einen wirksamen Gegenpol zu einem Wesen, welches in einer uns kaum noch verständlichen Realität verankert ist. Diesen virtuellen Charakter dazu zu benutzen einen Menschen in unserer Realität und somit im Menschsein zu halten, erschien mir hier an dieser Stelle seltsam passend.
Jane hat sich gewissermaßen als versteckte Protagonistin in den Roman geschlichen. Am Anfang habe ich das kaum bemerkt, denn ich hatte eine eher harmlose Frage. So fängt es immer an.
Ich brauchte eine virtuelle Kommandobrücke für Hiens Aufklärungsschiff und lief damit leider direkt in eine Sackgasse, weil Hien so etwas niemals selbst benutzen würde. Es wäre ein viel zu menschlicher Wunsch nach Stabilität und der Sicherheit des Vertrauten. Jane musste also bei diesem Aspekt helfen. Als ich ihren Charakter zu erforschen begann, realisierte ich schnell, dass sie eine extreme Tiefe und Komplexität hatte und dass ihre glaubwürdige Beschreibung mich mehr Zeit kosten würde als die Hiens. Je länger ich nach ihren Motivationen suchte, desto problematischer wurde es, denn sie schien besessen davon zu sein ein Mensch werden zu wollen, auch wenn sie es nicht konnte.
Welchen Weg würde sie also wählen, wenn sie versuchte ihre Träume visuell auszudrücken? Hier schien eine überbordende Ästhetik mit stark überzogenen ethischen Vorstellungen nützlich. Gewissermaßen als Überkompensation für unterdrückte moralische Zwangslagen und Verdrängungen. Als Bewältigungs-Mechanismus für einen Charakter, der in einem Zeitalter massiver technischer Herausforderungen und Umbrüche gefangen ist. Von da bis zur tiefen und reichen Symbolik des viktorianischen Zeitalters war es wirklich nicht weit. Natürlich ist Jane in Anlehnung an Jane Eyre von Charlotte Bronte gestaltet. Das wird spätestens dann offensichtlich, wenn diese in Kapitel 45 direkt aus dem Buch zitiert: „Glaubst du ich bin ein Automat?“, fragte sie das Buch leise. „Eine Maschine ohne Gefühle? Glaubst du, weil ich arm, unbedeutend, gewöhnlich und klein bin, dass ich keine Seele und kein Herz habe? Du glaubst falsch!“

Die beiden Protagonistinnen verbindet eine tiefe emotionale Bindung, deren exakte Qualität bewusst offenbleibt. Es entwickelte sich Raum für vielfältige Möglichkeiten der Deutung, doch Details zu beleuchten erschien mir nicht zielführend. Es bedurfte einer engen, fast symbiotischen Beziehung mit offenen, stark verschlüsselten Qualitäten, wenn es doch einmal konkret werden sollte. Dieser Ansatz spiegelt sich bis in die Details der Sprache zwischen den beiden.

So nennt Jane Hien beispielsweise immer Mimei. Die Silben allein geben jedoch keinen wirklichen Aufschluss über die Bedeutung des Namens, weil nicht klar wird aus welcher Sprache er kommt. Benutzt man japanische Kanjis, dann wäre eine mögliche Schreibweise: 美明. Die beiden Zeichen bedeuten Schönheit und strahlend, im Sinne von strahlendem Licht. Wie passend. Benutzt man chinesische Schriftzeichen, dann wäre die Schreibweise: 迷妹. Das zweite Zeichen für kleine Schwester signalisiert, dass es sich hier um einen weiblichen Kosenamen handelt. Das erste Zeichen bedeutet: Verloren, verwirrend, im Sinne von Undurchschaubar. Eine mysteriöse Frauengestalt. Ich habe die Vermutung, dass Jane diese Schreibweise bevorzugt.

Nachdem ich auf dieser Weise meine beiden Damen erfolgreich etabliert hatte, stand ich direkt vor dem nächsten Problem.

Zwei in der Stille des Universums tanzende Damen die hauptsächlich miteinander beschäftigt sind, brauchten eine Erdung, um die Handlung im Hier und Jetzt und vor allem in der Science-Fiction zu halten. Für eine reine SciFi-Romantik fühlte ich mich bei weitem nicht kompetent genug.

Es drängte sich also ein männlicher Pseudo-Antagonist auf. Ein großer Mann, jedoch nicht einschüchternd und tief im Innern genauso gebrochen, wie die Protagonistinnen. Jemand, der auf der gleichen Suche ist, wie sie, damit es eine Grundlage für Rapport gibt, jedoch felsenfest in einem mechanistischen Weltbild verankert. Ein Mann der Fakten und der Formeln. Kein schlechter Mensch, hochkompetent, jedoch immer leicht herablassend. Mir sprang sofort ein Bild vor mein inneres Auge und so ist der Charakter des Lieutenant-Colonel Charles Emrys Wilson III an Major Charles Emerson-Winchester III, aus der Sitcom MASH angelehnt, gespielt von dem wundervollen und leider 2018 verstorbenen David Ogden Stiers. Auch er trug in der Serie oft einen rot karierten Pyjama mit passendem Morgenmantel.

Seine Rolle würde es sein, die Handlung immer wieder in die Praxis zu holen und dabei durch seine Arroganz und elitäre Sprache zahlreiche Möglichkeiten für Streit und comedic relief zu ermöglichen.

Nun hatte ich zwei Damen auf der Suche nach Sinn und einen traditionellen Wissenschaftler als Vertreter der Science-Fiction.

Ich liebe es in meinen Geschichten mechanistischen Realismus und Spiritualität gegenüberzustellen. An dieser Stelle muss ich jedoch sehr aufpassen, denn es ist ein Grat, welcher in der Science-Fiction sehr schmal sein kann. Wird man zu hardcore wissenschaftlich, verliert man Leser, welche keinen Abschluss in Physik haben. Behandelt man aber den Science-Aspekt scheinbar zu respektlos, verärgert man die Tech-Nerds. Meine Lösung ist meistens Ironie. Ich versuche möglichst entspannt zu bleiben und jeden technologischen Aspekt umso heiterer und selbstironischer darzustellen, je weniger ich ihn tatsächlich mit Inhalt füllen kann. Meine Bücher sollen auch nie hardcore Science-Fiction werden. Ich benutze gerne SciFi-Settings, doch am Ende sind es Entwicklungsromane. Dabei ist die quantenverschränkte Bewusstseinsmatrix zwar Teil der Handlung, doch in der Regel macht sich in der gleichen Szene zügig jemand über den hoffnungslosen Versuch lustig physikalische Label für etwas Unbeschreibliches zu benutzen. Mir sind die Entwicklungen der Protagonisten viel wichtiger, denn ihre Sorgen und Bestrebungen transportieren die Handlung, nicht der Gravitationsmotor.

Meine drei Protagonisten schickte ich nun in die extremste Umgebung die man sich vorstellen kann. Eine Welt, in welcher normale Menschen niemals überleben könnten.

Normalerweise würde man diese Beschreibung mit Bedrohungen und Schlachten verbinden, mit Militär und Waffen. Doch die beiden Protagonistinnen sind auf der Suche nach Sinn und einen tieferen Sinn findet man nicht in Schlachten, auch wenn die meisten Regierungen diese Ansicht nicht zu teilen scheinen. Ich wollte sie in eine viel schwierigere Umgebung schicken. Eine die schwerer zu ertragen und fast unmöglich zu durchdringen ist. Ich schickte sie in die Stille.

Stille ist absolut essenziell für mich. Ich bin hochsensibel, introvertiert und extrem leicht überfordert, wenn zu viel Input auf mich einflutet. Darüber hinaus lehrt der Buddhismus, dass es keine tiefere Einsicht und Erkenntnis ohne Stille geben kann. Bedenkt man, dass wir in einer Zeit angekommen sind, in der nur extreme Lautstärke in sozialen Medien mit der erhofften Aufmerksamkeit belohnt wird, war es mir ein Bedürfnis Stille zu einem Hauptmotiv zu machen. Einen technisch hochgerüsteten Menschen in die tiefste Stille zu schicken, welche wir kennen, erschien mir einleuchtend und vernünftig. Außerdem war es mir ein Anliegen zumindest den Versuch zu unternehmen eine Geschichte im Weltraum zu erzählen in welcher die Lösung nicht mit Waffen erkämpft werden kann und es keine heroischen Entscheidungen gibt, welche am Ende mit wehenden Fahnen und einer Fliegerstaffel gefeiert werden. Ich lese seit über dreißig Jahren Science-Fiction und bin der klassischen Motive in ihren stereotypischen Verkörperungen ein wenig müde.

Durch den Fokus auf eine Suche nach Sinn in der Stille hat sich die grundlegende These des Romans ganz von selbst ergeben. Auch hier gab es für mich kaum eine Wahl.

Nicht nur wird uns ein extremer Transhumanismus nichts bringen, er wird die tatsächlichen Probleme einer inneren Suche lediglich akzentuieren und unsere Reise umso schwerer machen. Möglicherweise jedoch können wir deswegen dann auch mehr finden. Auf dem Weg dahin habe ich die Gelegenheit genutzt möglichst viel Verwirrung zu stiften, wenn es um die Frage ging, was es eigentlich bedeutet menschlich zu sein.

Zum Schluss musste ich dann wieder erleben, dass es am Ende immer die Protagonisten selbst sind, welche über den Ausgang ihrer Geschichten entscheiden. Plötzlich gab es eine Wendung zum Religiösen, welche für mich so sehr aus dem Nichts kam, dass ich immer noch nicht sicher bin, was sie eigentlich bedeutet. Aber ich begrüße jede Wendung ins Spirituelle, auch wenn es die Fans der klassischen Science-Fiction manchmal verärgert. Unverständliches wird in unseren Köpfen gerne metaphysisch, und warum sollte es einer KI nicht passieren, immerhin will sie menschlicher werden und was wäre menschlicher als das vollkommen Unbegreifliche ins Religiöse zu abstrahieren.

Dieser Einbruch des Mystischen, ja des Fantastischen in den Bereich der Science-Fiction ist etwas, was ich immer rundweg begrüße, wenn es auch nicht jedem gefällt. Ich glaube es ist ein notwendiger Schritt, wenn wir das Genre der Science-Fiction erneuern wollen, und ich bin weiß Gott nicht der Erste, der sich diese Gedanken macht. Jeff VanderMeer einer der bekannteste Vertreter der Weird Fiction sagte einmal in einem Interview, dass uns eine realistische Sicht auf die Welt nirgendwo mehr hinbringt.

Seine Lösungsvorschlag ist auch der meine, wenn er sagt:

„Der Surrealismus und die Fantasie, die die Science-Fiction durchdringen, sind die Quellen, auf die ich zurückgreife, um über diese Themen nachzudenken.“

Diese Verbindung zwischen den Genres ist der Ort, wo ich meine Geschichten platziere und je verirrender und seltsamer sie sind desto eher repräsentiert dies für mich das Universum, in welchem wir sowieso leben.

Mein liebstes Symbol für diese Grenze sind Blumen.

Deswegen entfaltet sich am Schluss in der Stille des Alls lautlos eine Blume aus Licht, welche mit strahlenden Fäden fortwährend neue und unendlich komplexe Muster in die Nacht zeichnet. Eine Verbindung aus unendlich komplexen mit mystischer Schönheit, welche wir problemlos akzeptieren. Die gleiche Blume aus Licht hat sich auch schon in meinem Episodenroman Die Offenbarung des Uhrwerks entfaltet, wenn auch mit einem vollkommen anderen Hintergrund. In meinem nächsten Roman Wo beginnt die Nacht wird sie sich ebenfalls wieder entfalten. Auch dort in einem komplett unterschiedlichen Zusammenhang. Blumen sind das verbindende Motiv vieler meiner Geschichten. Die Protagonisten tragen sie gewissermaßen mit sich. Irgendwann finde ich vielleicht auch heraus, warum das so ist. Bis dahin versuche ich mich den Anforderungen der Protagonisten zu stellen und mache dabei die Erfahrung, dass diese von Buch zu Buch höher werden. Das ist etwas auf das einen niemand vorbereitet, wenn man das erste Buch plant. Zum Glück kann ich mir einreden, dass ich hier ja nur Geschichten aufschreibe.

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