Beim Schreiben seiner ersten Geschichten bekommt der unerfahrene Autor oft das Wort Infodump vom Lektor zu hören.
Der Infodump entsteht, wenn der Autor die Handlung unterbricht, um dem Leser Informationen zu geben, von denen der Autor glaubt, der Leser müsse sie essentiell, in diesem Moment bekommen, bevor die Geschichte fortfahren kann.
Das Problem ist, dass Dialoge die Handlung vorantreiben, Informationen nicht. Informationen bringen die Handlung zu einem knirschenden Halt, egal wie kurz man sich fasst. Um die Falle des Infodumps zu umgehen, muss der Autor lernen anders über Informationen als solche zu denken.
Wann immer man versucht ist, dem Leser etwas zu erklären, auch wenn es nur zwei Sätze sind, könnte man sich fragen, was die eigenen handelnden Personen von dieser Information halten würden. Kommt man zu dem Schluss, dass einer der Handelnden eine starke Meinung zu dieser Information hätte, dann sollte man ihn oder sie diese vielleicht auch sagen lassen. Autor und Leser können davon nur profitieren.
Jede Information, die sich außerhalb eines Dialogs befindet, ist eine verschenkte Gelegenheit.
Ich habe zur Verdeutlichung mal folgende Mini-Szene geschrieben:
Die beiden Frauen gingen durch eine dunkle, und leere Gasse.
„Was für eine von Gott verlassene Gegend“, bemerkte die Eine.
„Lass uns am besten schnell von hier verschwinden“, stimmte die Andere zu.
Sie waren gestern erst aus dem Waisenhaus geflohen. Dort hatten sie immer Hunger gehabt und Schläge bekommen.
„Hier muss es doch irgendwo einen Markt geben?“, fragte die Eine.
„Was zu Essen wäre nicht schlecht“, verkündete die Andere.
Das ist eine Möglichkeit. Oder aber, man bindet die Informationen in den Dialog ein:
Die beiden Frauen gingen durch eine dunkle, und leere Gasse.
„Was für eine von Gott verlassene Gegend“, bemerkte die Eine.
„Lass uns am besten schnell von hier verschwinden“, stimmte die Andere zu.
In dem Moment öffnete sich eine Tür neben ihr und ein sturzbetrunkener Mann torkelte fast in sie hinein.
Schwankend blieb er vor den Frauen stehen und begann zu grinsen.
„Heee, ihr Schönen“, lallte er undeutlich. „So allein?“ Er sah einen Moment nachdenklich vor sich hin, dann erbrach er sich der Einen in einem lauten und großen Schwall auf ihre Stiefel.
Beide Frauen schrien auf und sprangen zurück, doch der Mann hatte sich schon abgewandt und lief glücklich singend die Gasse entlang.
„Vielleicht hätten wir im Waisenhaus bleiben sollen?“, fragte die Eine, während sie angewidert ihre Schuhe musterte.
„Erinnerst du Sich an die Schläge?“, fragte die Andere. „Den Hunger?“
„Ja“, murrte die Eine, „aber wenigstens waren meine Schuhe trocken.“ Sie versuchte erfolglos den Schmutz an der Wand der Gasse abzustreifen.
„Vergiss es“, erklärte die Eine. „Die Schuhe waren sowieso hässlich. Alles ist besser als ein Waisenhaus. Auch kotzende Betrunkene. Hier muss es doch irgendwo einen Markt geben? Hattest du nicht Hunger?“
„Irgendwie “, verkündete die Andere mürrisch, „ist mir der Appetit vergangen.“
Auf diese Weise hat man gleich mehrere Dinge gemeinsam abgefrühstückt. Man hat eine kleine Szene geschrieben, die eine eigene Spannungskurve hat und den Leser unterhält. Man hat ihm Informationen gegeben und hätte auch locker noch weitere einbauen können („Erinnerst du dich wer mir die Stiefel geschenkt hat?“, etc.) Alles in einem und ohne jede Zeile Infodump. Einen solchen kurzen, geschlossenen Abschnitt nennt man auch Beat. (Der Begriff kommt aus dem Drehbuch-Schreiben.)
Beats sind sehr, sehr nützlich, weil man in ihnen die Beziehungen zwischen handelnden Personen beleuchten kann, ohne dass der Hauptstrang der Handlung direkt betroffen ist. Sie sind außerdem sehr mobil, d.h. man kann sie im Buch nachträglich hin und her schieben, je nachdem, wo sie am besten passen. Die gleiche Szene kann mit zwei Minuten Arbeit auch in einem Schloss während einer Party stattfinden.
2 Kommentare zu „Der Infodump und der Beat“